Viele jüngere Koxarthrose-Patienten entscheiden sich nur dann für eine Endoprothese, wenn sie anschließend nicht nur wieder voll im Berufleben stehen, sondern auch ihre favorisierten Sportarten wieder ausüben können. Außerdem ist zu beachten, dass ein heute 50 Jahre alter Mensch bei durchschnittlicher Lebenserwartung noch ca. 100 Millionen Gangzyklen mit seinem Kunstgelenk zurücklegen wird – Grund genug, bei der Erstimplantation ein möglichst knochensparendes Verfahren zu wählen. Diese jüngeren und aktiven Patienten wurden in der Vergangenheit entweder mit Kurzschaftprothesen oder mit Oberflächenersatz versorgt. Die anfängliche Euphorie in Hinblick auf letzteren hat sich jedoch wieder abgeschwächt. Schwierige OP-Techniken, eine teilweise hohe Rate an Frühkomplikationen und die Festlegung auf Metall-Metall-Gleitpaarungen hat die Zahl der implantierten Oberflächenersatzprothesen in den letzten beiden Jahren bereits wieder zurückgehen lassen. Das Konzept des neuen Micro-Implantats Das Prothesenkonzept des Silent™MicroImplantats kann für diese Patientengruppe eine Alternative bieten. Dabei handelt es sich um ein ausschließlich im Schenkelhals verankertes Micro-Implantat (Abb. 1), das auf grundlegenden biomechanischen Arbeiten von PD Dr. med. Dr. Ing. habil. Matthias Honl basiert. Honl, heute niedergelassener Facharzt für Orthopädie in Düsseldorf, hat bereits Mitte der 90er Jahre am Institut für Biomechanik der TU Hamburg-Harburg erste Prototypen dieser Prothese entwickelt. Ziel war es damals, ein Implantat zu entwickeln, das bei sparsamer Resektion am SchenNeues Micro-Implantat für junge, aktive Koxarthrose-Patienten Von den rund 160.000 Patienten, die derzeit pro Jahr in Deutschland wegen Koxarthrose eine Hüftendoprothese erhalten, sind immer mehr unter 60 Jahre alt: Im Jahr 2008 lag der Anteil dieser „jungen“ Patienten bei den Ersteingriffen bereits bei etwa 20%. Da diese Patienten in der Regel noch berufstätig und körperlich aktiv sind, muss das Implantat erhöhte Ansprüche erfüllen. Außerdem sollte es besonders knochensparend sein. Das neue Silent™Micro-Implantat der DePuy Orthopädie GmbH wird diesen Anforderungen gerecht, wie erste klinische Daten zeigen. Deutschland hat Prof. Dr. Christian Heisel, leitender Arzt der ARCUS Sportklinik in Pforzheim. Er hat seit November 2009 bei 50 Patienten im Alter zwischen 19 und 60 Jahren das Silent™Micro Implantat eingesetzt. Die überwiegende Mehrheit dieser Patienten war unter 50 Jahre alt und männlich (Abb. 2). Bei guter Knochenqualität und bei geringen knöchernen Prof. Dr. Christian Heisel, Leitender Arzt der ARCUS Sportklinik Pforzheim kelhals maximal knochensparend sein sollte. Ferner sollte die Prothese die besonderen biomechanischen Eigenschaften des Schenkelhalses mit seiner elastischen Spongiosa beachten und zur knöchernen Integration nutzen. Denn das Knochengewebe im Schenkelhals hat sehr gute Puffereigenschaften und ermöglicht eine nahezu physiologische Kraftübertragung vom MicroImplantat auf den Femurknochen. Für festen Sitz sorgt die konische Form, die durch pressfit-Verankerung Stabilität garantiert. Eine weitere Anforderung an das neue Implantat war eine freie Kombinationsmöglichkeit mit allen auf dem Markt erhältlichen Gleitpaarungen. Und schließlich sollte die Prothese über alle gängigen Zugangswege, auch mit minimal invasiven Techniken, zuverlässig mit einem übersichtlichen Instrumentarium einzubauen sein. Honl und dem Entwicklerteam, das aus Prof. Morlock von der TU Hamburg-Harburg, Dr. Jim Sullivan aus Australien sowie DePuy gelang die Umsetzung all dieser Anforderungen, und bereits 2003 begannen erste Zentren mit der klinischen Anwendung. Klinische Anwendung Mit die meisten Erfahrungen mit der klinischen Anwendung des Silent™Micro Implantates in Deformitäten ist dies die Patientengruppe, die von solch einer Versorgung profitieren kann. Wenn ein Patient im Laufe seines Lebens wahrscheinlich einen Wechsel des Implantates erleben wird, ist die Indikation zu einem knochensparenden Verfahren gegeben. Ein weiterer Vorteil des Implantates ist die einfache Wechselmöglichkeit beim Auftreten von Komplikationen. Sollte ein Patient eine Infektion erleiden, die einen Ausbau der Prothese notwendig macht, bestehen mit dem Micro-Implantat bessere Rekonstruktionsmöglichkeiten, da mehr belastbarer Knochen erhalten bleibt. Ist die Entscheidung zur Operation gefallen, muss diese zunächst sehr sorgfältig geplant werden. Die anatomischen Verhältnisse müssen analysiert und die optimale Rekonstruktion auf präoperativen Röntgenbildern geplant werden. Patienten mit Osteoporose oder mit einem Schenkelhalswinkel (CCD-Winkel) unter 120° oder über 145 ° sollten nicht mit einem solchen Implantat operiert werden. Da das operative Vorgehen von der üblichen Operationstechnik abweicht, müssen alle Operateure vor der ersten Anwendung ein spezielles Training durchlaufen. Im Rahmen dieser Ausbildung werden die theoretische Grundlagen zum Implantat vermittelt und die Operationstechnik an Kunstknochen und in der Anatomie an Leichenpräparaten geübt. Die Operationszeiten sind mit denen der Standardtechnik vergleichbar, allerdings ist der Zugang zum Gelenk aufgrund der knochenschonenden Resektion etwas schwieriger. Das Silent™Micro Implantat kann über alle herkömmlichen Zugangswege eingesetzt werden, der Operateur kann also auf gewohnte Techniken zurückgreifen. Die Präparation des Acetabulums weicht nicht von der üblichen Technik ab; alle herkömmlichen Pfannensysteme können verwendet werden. Dies hat den Vorteil, dass der Operateur die gewünschte Gleitpaarung individuell auf den jeweiligen Patienten abstimmen kann und nicht durch das Implantat festgelegt ist. Die kurzfristigen Ergebnisse der ersten 50 Patienten haben gezeigt, dass eine anatomische Rekonstruktion der Gelenkverhältnisse zu erreichen ist. Der präoperativ gemessene CCDWinkel betrug in dieser Gruppe z. B. 128 °. Es wird eine Rekonstruktion dieses Winkels oder eine leichte Valgisierung empfohlen. Der durchschnittliche geplante CCD-Winkel in dieser Gruppe war 131 ° und der mittlere gemessene Winkel auf den Kontrollröntgenaufnahmen 6 Wochen postoperativ war ebenfalls 131 °. Bisher existieren Fünf- bis Siebenjahresergebnisse, die zum Teil durch eine RSA-Untersuchung der Patienten ergänzt wurden. Dieses spezielle Röntgenverfahren kann im Langzeitverlauf Mikrobewegungen des Implantates bzw. Wanderungen im Knochen dokumentieren. Lockerungen sind bei diesen Nachuntersuchungen bisher nicht aufgetreten. Um die Haltbarkeit im Knochen endgültig beurteilen zu können, müssen jedoch Langzeitergebnisse abgewartet werden. Intraoperativ kann mit dem Silent™Micro Implantat eine hohe Primärstabilität erreicht werden. Da die knöcherne Verankerungsstrecke im Vergleich zu herkömmlichen Implantaten deutlich kürzer ist, wird eine Teilbelastung des operierten Beines mit halbem Körpergewicht für 4-6 Wochen empfohlen. Ansonsten weicht das Reha-Regime nicht von dem herkömmlicher Prothesen ab. Patienten wird die sportliche Vollbelastung nach dem Ablauf von 3 Monaten gestattet, wobei hinsichtlich der Langzeithaltbarkeit im Knochen, wie bei den herkömmlichen Endoprothesen, von Impaktsportarten abgeraten wird. Die kurz- bis mittelfristigen Ergebnisse zur Versorgung von jungen und aktiven Patienten sind bisher ermutigend, es müssen jedoch noch weitere Langzeitstudien abgewartet werden, um eine genauere Analyse der Funktion und vor allem der Haltbarkeit durchführen zu können.