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„Mehr Indikationen für Schlitten als man denkt“

Während der Karneval schon langsam Fahrt aufnahm – beim Aufbau fragte das Hotelpersonal, ob das Soundsystem in den Pausen für Karnevalsmusik genutzt werden sollte –trafen sich in Köln Anfang Januar 30 Orthopäden, um unter Leitung von Dr. Alois Franz, Siegen, in der „Experts Class Early Intervention“ ihr Wissen über den Kniegelenkteilersatz zu vertiefen.

Wie alle Experts Class Veranstaltungen zeichnete sich auch diese durch eine enge Verknüpfung von Theorievermittlung und praktischen Übungen in kleinen Gruppen aus. Fünf erfahrene Referenten ermunterten zu Fragen und Diskussionsbeiträgen, präsentierten Fälle und leiteten die Workshops, in denen jeweils sechs Teilnehmer die zuvor erworbenen Kenntnisse unmittelbar umsetzen konnten.

Die Referenten bildeten zudem das ganze Spektrum an Institutionen ab, in denen Knieoperateure tätig werden: Prof. Dr. Carsten Tibesku ist am sporthopaedicum Straubing Spezialist für Knieendoprothetik. Prof. Dr. Christian Heisel war bis vor einem Jahr an der Arcus-Klinik Pforzheim, ist inzwischen in Speyer in eigener Praxis niedergelassen. Dr. Johannes Holz, der eher von der sportmedizinischen und arthroskopischen Seite kommt, führt in Hamburg ebenfalls eine orthopädische Praxis. Prof. Dr. Maximilian Rudert vertritt als Ordinarius an der Orthopädischen Klinik König-Ludwig-Haus in Würzburg die universitäre Seite, und Dr. Alois Franz kommt als Chefarzt der Orthopädie am St. Marien-Krankenhaus Siegen ebenfalls „aus einem Krankenhaus klassischer Struktur“, wie er sagte. Von der Qualifikation der Teilnehmer der Experts Class zeigte sich Dr. Franz angetan: „Es sind nur erfahrene Kollegen hier, wie lang gediente Oberärzte, Chefärzte, Niedergelassene. Daher erwarte ich eine offene Diskussion – wir sitzen schließlich alle in einem Boot.“

„Warum sollten wir uns überhaupt mit der Knieteilendoprothetik beschäftigen?“ Diese Frage stellte der wissenschaftliche Leiter gleich zu Beginn seines ersten Vortrags. Alle Vollprothesen, gleich ob CR oder PS, seien letztendlich in stabile Kniegelenke mit Kreuzband-Insuffizienz, betonte Dr. Franz. Der beste Beweis dafür seien die Träger von Vollprothesen, die sich zwar lobend über die Beweglichkeit äußerten, aber beim Treppab-gehen den Handlauf benutzen müssten. Die Kreuzbandfunktion sei wichtig für die Stabilität– „sonst müsste man ja auch nie Kreuzbandplastiken machen!“

Dr. Johannes Holz, Hamburg, stellte zu Beginn der Veranstaltung die knorpelchirurgischen Maßnahmen vor, die eventuell vor der Implantation einer Endoprothese stehen können. Er verwies auf die veränderten Ansprüche der Patienten: „Wir behandeln nicht mehr dieselben Patienten wie unsere Lehrmeister noch vor zehn Jahren, die Ansprüche haben sich vollkommen geändert!“ So hatte etwa der Deutsche Sportbund im Jahr 2002 halb so viele Mitglieder in der Altersgruppe über 60 Jahre wie heute. Diese sportlich aktiven Senioren wollen auch mit Endoprothese ihren Sport weiter betreiben und sie streben bei Beschwerden schon frühzeitig eine Behandlung ihrer Kniearthrose an. Daher müsse man sich damit befassen, „was wir tun können, um eine Prothese hinauszuschieben oder sie nicht notwendig werden zulassen“. Als Möglichkeiten nannte Dr. Holz die Knorpelglättung, Mikrofrakturierung, Refixation großer Stücke, ferner osteochondrale Transfers, autologe Chondrozytentransplantation sowie allogene/xenogene Knorpelersatzstoffe. Die ersten beiden Verfahren wertete Dr. Holz sehr kritisch, ebenso die Mikrofrakturierung, bei der keine Langzeiteffekte nachgewiesen seien. Bessere Ergebnisse erbringe hingegen die matrixgekoppelte Mikrofrakturierung, bei der die Flächen mit einem azelllulären Vlies bedeckt werden. Die besten Resultate zeigt jedoch seiner Erfahrung nach die trägergestützte Chondrozytentransplantation, die Dr. Holz in seiner Praxis seit 10 Jahren durchführt.

Auch Prof. Dr. Carsten Tibesku, Straubing, stellte mit den Umstellungsosteotomien zunächst ein Verfahren vor, das den Gelenkersatz hinausschieben soll. Allerdings brachte er weniger Argumente für als gegen die Umstellung und hielt damit eher ein Plädoyer für den früheren Einsatz der Schlittenprothesen.

Über die Grundlagen der unikondylären Knieendoprothetik referierte Prof. Dr. Maximilian Rudert, Würzburg, während Prof. Dr. Christian Heisel, Speyer, auf den medialen Schlitten und Dr. Holz speziell auf laterale Schlittenprothesen eingingen. Prof. Rudert sieht in Zukunft einen wachsenden Einsatz von unikondylären Prothesen, da sich die Indikation dafür ausweite. Mediale und laterale Schlitten unterscheiden sich jedoch in vielerlei Hinsicht: zum einen in der Häufigkeit der Arthrose des medialen bzw. lateralen Kompartiments und zum anderen im Prozedere.

Prof. Heisel legte großen Wert auf eine genaue klinische Untersuchung, mit deren Hilfe man „gut heraus bekommen kann, ob das Knie stabil ist.“ Bei 95% der Patienten sei außerdem das vordere Kreuzband intakt, wenn die tibiale Erosion nicht nach posterior reicht, sagte Prof. Heisel. Intakte Kollateralbänder sowie eine auf die anteromediale Region beschränkte Arthrose sind neben der Kreuzbandstabilität wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Implantation einer medialen Schlittenprothese. Während eine Flexion von weniger als 90°, ein großes Streckdefizit und eine Varusdeformität von über 15° weiterhin als Kontraindikationen gelten, sieht Prof. Heisel die Retropatellararthrose, höheres Alter, Chondrokalzinose und Übergewicht nicht mehr als Argumente gegen eine mediale Schlittenprothese. „Eine Indikation für die mediale Schlittenprothese gibt es häufiger als man zunächst denkt!“ gab Prof. Heisel denZuhörern mit auf den Weg.

Ganz anders stellt sich die Situation bei der lateralen Schlittenprothese dar. Das ist ein selten vorgenommener Eingriff, der nur bei 5-10% der Patienten in Frage kommt. In Deutschland werden lediglich um die 500 Patienten pro Jahr mit einem lateralen Schlitten versorgt, berichtete Dr. Holz.